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Personenstandsregister

Archivaliensammlung Frankfurt

Abteilung I: Wiesbaden

1. Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle im Synagogenbezirk Wiesbaden, 1832 – 1876

Vorbemerkungen

Im Jahre 1942 begann das Reichssippenamt mit der Einziehung jüdischer Personenstandsregister. Für die Durchführung dieser Aktion im damaligen Volksstaat Hessen war das Gausippenamt Hessen-Nassau in Frankfurt zuständig. Bevor die Originale nach Berlin weitergingen, sind in Frankfurt Abschriften angefertigt worden.(1) Bei den vorliegenden Registern für den Synagogenbezirk Wiesbaden handelt es sich offensichtlich um derartige Abschriften. Zur Herstellung einer alphabetisch geordneten Kartei sind die chronologisch fortlaufenden Eintragungen noch auf Karteikarten übertragen worden. Darauf deuten auch auf den vorliegenden Abschriften angebrachte Datumsvermerke hin, wie etwa kartiert am 29.12.43 (Geburten, Heft 1). Aber weder diese Kartei noch die Originale sind heute auffindbar.

 

Die jüdischen Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle wurden von 1833 bis 1874 sowohl von der jüdischen Gemeinde als auch vom Pfarramt protokolliert. Das Pfarramt war in dieser Zeit zur Führung der Zivilstandsregister verpflichtet. 1874 ging diese Funktion dann an das Standesamt über. Die fortlaufend geführten Bücher, in die von 1833 bis 1874 alle Änderungen des Personenstands ohne Unterschied der Religion eingetragen wurden, sind noch heute bei der Evangelischen Gesamtgemeinde Wiesbaden erhalten. Bei den vorliegenden Abschriften handelt es sich nicht etwa um einen Auszug der Juden betreffenden Eintragungen aus diesem allgemeinen Zivilstandsregister, sondern um eine getreue Abschrift der ursprünglich bei der jüdischen Gemeinde geführten Matrikel. Dafür spricht nicht nur eine durchgehende Numerierung. Es gibt auch zahlreiche Bemerkungen, die auf eine jüdische Autorschaft schließen lassen. Bei den Geburten wird das Beschneidungsdatum oder der Tag der Namensgebung (bei Mädchen) vermerkt, wobei zur Datierung häufig auf die jüdischen Feiertage Bezug genommen wird.

 

So heißt es etwa, Beschneidung am ersten Matzefesttag (18./19. März 1841) oder Namensfest am Vorabend des Versöhnungsfestes (19. Dez. 1840). Die Eintragung der Eheschließung ist häufig mit einer Bemerkung über die Ausfertigung eines Chalizahbriefes von den Brüdern des Bräutigams versehen. In einer besonderen Bemerkung am Ende der Geburtseintragungen des Jahres 1858 wird nochmal ganz deutlich, daß die Kopiervorlagen des Gausippenamtes nicht mit den vom Pfarramt geführten Zivilstandsregistern identisch waren. Neben einem Nachtrag heißt es: Im Januar 1859 durch den Führer des Zivilstandsregisters Herrn Decan Eibach Anzeige hiervon erhalten. In einem anderen Fall hat sich das Gausippenamt 1943 zur Überprüfung von Angaben in dem jüdischen Geburtsregister einen Auszug aus den Zivilstandsregister anfertigen lassen (Mai 1873). Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß es ursprünglich neben den Zivilstandsregistern noch parallele jüdische Register gab und daß das Gausippenamt diese jüdischen Register abgeschrieben hat.

 

Über den Verbleib der Originale dieser jüdischen Register waren jedoch weder von der Evangelischen Gesamtgemeinde Wiesbaden noch vom Stadtarchiv Hinweise zu erhalten. Sie müssen als verschollen gelten. Die vom Gausippenamt gefertigten Abschriften scheinen überhaupt die einzigen jüdischen Register für Wiesbaden zu sein, die heute noch vorhanden sind. Die beste Übersicht wird gegenwärtig durch die genealogische Bibliothek der Mormonen geboten. In dem Verzeichnis der von dieser Gesellschaft verfilmten German Jewish Records ist kein Nachweis für Wiesbaden enthalten.(2) Auch unter den vom Hauptstaatsarchiv Wiesbaden verwahrten Gatermann Filmen für jüdische Gemeinden aus Hessen kommt Wiesbaden nicht vor. Die Firma Gattermann hatte im Auftrag des Reichssippenamtes in den Jahren 1944/45 mit der Verfilmung der von diesem Amt eingezogenen jüdischen Register begonnen. Nach dem Krieg gelangten diese Filme in die zuständigen Staatsarchive. Man kann annehmen, daß die Wiesbadener Register zu dem Teil der Sammlung gehörten, dessen Verfilmung nicht mehr zustande kam. Die Originale befanden sich bei Kriegsende auf Schloß Rathsfeld in Thüringen.(3) Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Möglicherweise wurden sie von der Roten Armee sichergestellt und tauchen demnächst in dem damals angelegten Sonderarchiv in Moskau wieder auf.(4) Im Augenblick jedenfalls verfügt man für Wiesbaden lediglich über die beim Gausippenamt verbliebenen und jetzt von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt verwahrten Abschriften. Das Hauptstaatsarchiv Wiesbaden hat 1965 davon Filmkopien angefertigt (Film 56 Abt. 3010) und auch Rückvergrößerungen im A5 Format hergestellt. Während der Bearbeitung im Heidelberger Zentralarchiv im Jahr 1992 sind Xerokopien im A3 Format gefertigt worden, die dann zu einem Buch gebunden und der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden übergeben wurden.

 

zu den Details

Anmerkungen

1) Boss, Friedrich: Judaica im Staatsarchiv Darmstadt. Bd. 2. Jüdische Personenstandsregister für die Provinzen Oberhessen und Starkenburg 1788 - 1875. Darmstadt 1988, S. 9.

2) German Jewish Records at the Genealogical Society of Utah. In: TOLEDOT. The journal of jewish genealogy. 2 (1978) 1, p. 16-25.

3) Brilling, Bernhard: Das jüdische Archivwesen in Deutschland. In: Der Archivar. 13 (1960), Sp. 271-290, insbes. Sp. 288.

4) Illustrierte Neue Welt, Dez. 1988, S. 8.

Der Archivar, 45 (1992) 1, Sp. 118.

Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 16.4.92, S. 15.

 

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