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Vorwort
Am 1. Januar 1905 wurde in Mülhausen die Gesellschaft für die Geschichte der Israeliten in Elsass-Lothringen gegründet. Zu den Zielen dieser Gesellschaft gehörte vor allem das Sammeln von Archivmaterial, der Aufbau eines jüdischen Museums, die Inventarisierung von Baudenkmälern und Grabsteinen sowie die Förderung von Publikationen zur Geschichte der Juden in Elsass-Lothringen.(1) Die treibende Kraft dieser Unternehmungen war Rabbiner Dr. Moses Ginsburger(1865-1949).(2) Nach seiner Ausbildung in Strassburg und Berlin übernahm er 1891 das Rabbinat in Sulz im Ober-Elsass. Dieser Posten wurde 1910 nach Gebweiler verlegt. Ab 1914 amtierte Ginsburger in Colmar als Vertreter des demissionierten Oberrabbiners Isidor Weil. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte Ginsburger in Strasbourg und widmete sich in erster Linie wissenschaftlichen und publizistischen Arbeiten. In der von ihm gegründeten Gesellschaft für die Geschichte der Israeliten in Elsass-Lothringen war er als Schriftführer tätig. Den Vorsitz hatte bis 1912 Charles Levy aus Colmar inne. Ihm folgte J. Gentzbourger aus Strassburg. Die Gesellschaft eröffnete 1908 in den Räumen des Elsässischen Museums in Strassburg eine jüdische Abteilung. Ein Jahr später wurde am gleichen Ort noch ein weiterer Saal zur Aufnahme der Archivaliensammlung und der Bibliothek zur Verfügung gestellt. Die Archivaliensammlung ist 1936 den Archives Départementales du Bas-Rhin zur Verwahrung anvertraut worden. Bei der Übergabe ist lediglich ein Abgabeverzeichnis (Bordereau) und etwas später ein Ortsregister erarbeitet worden. Ein genaues Verzeichnis sowie eine Feststellung der inzwischen eingetretenen Verluste steht noch aus. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde über die Erwerbungen und über die anderen Aktivitäten der Gesellschaft relativ ausführlich in der strassburger israelitischen wochenschrift berichtet. In den dreißiger Jahren kam es auch zu einigen Mitteilungen in der von M.Ginsburger gegründete Zeitschrift souvenir et science. Die Gesellschaft hatte außerdem eine eigene wissenschaftliche Schriftenreihe, publizierte Jahresberichte, kurzzeitig auch ein Jahrbuch. Heute existiert die Gesellschaft unter dem Namen Société d'Histoire des Israélites d'Alsace et de Lorraine. Sie hat ihren Sitz in Strasbourg und führt jährlich ein wissenschaftliches Kolloquium durch. Die Benutzung der Archivaliensammlung ist nach wie vor von ihrer Zustimmung abhängig.
Bereits 1909 ist von Rabbiner Moses Ginsburger die Grundstruktur der Archivaliensammlung festgelegt worden.(3) Die aus sehr unterschiedlichen Quellen zusammengetragenen Dokumente wurden je nach ihrem Inhalt auf sechs Serien verteilt:
Serie A: Akten öffentlich-rechtlicher Natur (Dekrete, Gesetze, Verordnungen der Konsistorien)
Serie B: Akten, die sich auf die Organisation und innere Verwaltung der Gemeinden beziehen (Protokollbücher, Vereinsakten, Anstellungsverträge, Schulwesen)
Serie C: Akten rabbinischer Gerichte
Serie D: Notarielle und kommerzielle Akten (Eheverträge, Testamente, Kaufverträge)
Serie E: Personenstandsunterlagen (Mappot, Mohelbücher, Sterberegister, Abschriften und Fotografien von Grabsteinen)
Serie F: Literarische Materialien (Memorbücher, talmudische Abhandlungen, Briefe)
Im März 1995 übergab die Société d'Histoire des Israélites d'Alsace et de Lorraine dem Heidelberger Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland ein Paket mit Briefen und Papieren zur Bearbeitung. Wie aus den auf verschiedenen Verpackungsmaterialien angebrachten Nummern hervorgeht, hatten diese Unterlagen früher bereits zu der Archivaliensammlung der Gesellschaft gehört. Jetzt sind sie in Räumen der Communauté Israélite de Strasbourg aufgefunden worden. Es handelt sich im wesentlichen um Briefe an den Schriftführer der Gesellschaft, Rabbiner Dr. Moses Ginsburger, aus den Jahren 1905 - 1919. Im Mittelpunkt stehen die Aktivitäten der Gesellschaft, von der Gründung und Mitgliederwerbung über die Sammlung historisch wertvoller Papiere und Gegenstände bis hin zur Organisation von Veröffentlichungen und Vorträgen. Einzelne Papiere sind auch vor bzw. nach diesem Zeitabschnitt datiert. Lediglich das Konvolut G.171 fällt auch inhaltlich aus diesem Rahmen heraus. Soweit erkennbar, waren die Papiere ursprünglich als Bestandteil der Serie B mit solchen Akten in einen Zusammenhang gebracht worden, die sich auf die Organisation und innere Verwaltung der Gemeinden beziehen. Da die Gesellschaft inzwischen eine eigene Geschichte besitzt, wurde für diese Papiere bei der Verzeichnung in Heidelberg eine Serie G eingerichtet, in der auch spätere Unterlagen aus der Geschäftsführung der Gesellschaft untergebracht werden können. Damit die Herkunft der Papiere nachvollziehbar bleibt, sind die Verpackungsmaterialien mit den Vorsignaturen in einem gesonderten Abschnitt mitverzeichnet worden.
Entsprechend dem Aufbau des größten Teils der Archivaliensammlung der Gesellschaft sind auch die Papiere der nun eröffneten Serie G meist einzeln oder in kleinen Gruppen in Konvolute gelegt worden. Jedes Konvolut trägt eine Nummer (Bestellnummer), auf die im Verzeichnis am Ende der Titelaufnahmen jeweils verwiesen wird. Die fett gedruckten Nummern am Anfang der Titelaufnahmen sind fortlaufende sogenannte Findbuchnummern, auf die sich dann die Einträge im Register beziehen. Querverweise zwischen den Titelaufnahmen verweisen jedoch auf die Nummern der Konvolute (Bestellnummern). Da man in dem Verzeichnis nur nach den Findbuchnummern suchen kann, wurde noch eine Konkordanz hinzugefügt, die den Übergang von den Bestellnummern zu den Findbuchnummern ermöglicht. Es gibt insgesamt 171 Konvolute. Die forlaufenden Nummern im Findbuch gehen jedoch bis 204. Das liegt daran, daß Titelaufnahmen zu manchen Konvoluten kopiert und auch noch unter anderen Gliederungspunkten aufgeführt wurden. Dieses Verfahren wurde jedoch mit Zurückhaltung angewandt, um das Verzeichnis nicht zu sehr anschwellen zu lassen.
Insgesamt sind vier Register erarbeitet worden, ein Personenregister, ein Ortsregister, ein Register für Sachbegriffe und ein spezielles Register für die im Verzeichnis erwähnten Institutionen. Da fast alle Schreiben an Rabbiner Moses Ginsburger adressiert sind, wurde sein Name nicht jedesmal im Personenregister festgehalten. Ginsburger erscheint nur dann im Personenregister, wenn auf besondere Aussagen zu seiner Person hingewiesen werden soll. Sachbegriffe und Namen von Institutionen wurden nur dann in die jeweiligen Register aufgenommen, wenn die Titelaufnahme nicht schon unter einem gleichlautenden Gliederungspunkt eingeordnet wurden. Das gleiche gilt für Hegenheim oder Rosenweiler als Ortsbezeichnungen für Friedhöfe.
Der Behandlung elsässicher Ortsnamen wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In den Briefen und Dokumenten findet sich je nach der verwendeten Sprache, sowohl die deutsche als auch die französische Schreibweise. Bei der Titelaufnahme wurden die Ortsnamen dann in der Regel in der Form festgehalten, in der sie in dem betreffenden Brief vorkommen. Für das Ortsregister jedoch wurde einheitlich die heute in Frankreich gebräuchliche Form verwendet. Bei stärkeren Abweichungen wurde die zu Beginn des Jahrhunderts übliche deutsche Ortsbezeichnung in Klammern hinzugefügt. Außerdem findet sich am Schluß des Ortsregisters eine Liste, in der ausgehend von der deutschen Schreibweise auf die französische Schreibweise der jeweiligen Ortsnamen hingewiesen wird. Auch hier wurden nur die Abweichungen aufgeführt. Orte in der Schweiz oder in Deutschland wurden durchgehend unter ihrer deutschen Form verzeichnet. Häufig vorkommende Ortesnamen wie Strassburg oder Colmar sind nur dann ins Register aufgenommen worden, wenn die entsprechenden Unterlagen ganz spezifische Aussagen zu einem Geschehen an diesem Ort enthalten. Bei weniger häufigen Ortsnamen genügte schon die Erwähnung in der Absenderangabe.
Die hier verzeichneten 171 Konvolute der Serie G sind in einem Archivkarton untergebracht, der als Boite 17 zusammen mit den anderen erhalten gebliebenen Bestandteilen der Archivaliensammlung der Société d'Histoire des Israélites d'Alsace et de Lorraine in den Archives Départementales du Bas-Rhin in Strasbourg aufbewahrt wird.
Anmerkungen
(1) Moses Ginsburger: La société pour l'Histoire des Israélites d'Alsace et de Lorraine.
In: Souvenir et Science. 2(1931)3, p. 1-5.
(2) Nouveau dictionaire de biographie alsacienne. 1985ff, p. 1189f: Artikel von Robert Weyl
über Moses Ginsburger.
(3) Strassburger Isreaelitische Wochenschrift. 6(1909)46 (vom 18. Nov. 1909), S. 5-7.
Dr. Peter Honigmann,
Heidelberg, im Mai 1995
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